Nord-West Grönland

Ilulissat, Disko, Uummannaq, Nussuaq

 2009

Einen Reisebericht finden Sie unterhalb der Galerie

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Fotos einer weiteren Reise in den

Nord-Westen im blog:

Grönland 2022

 


Trekking zischen Eisbergen -

vier Wochen weglos in Grönland


1. Kangia - Eisfjord

Walfisch zum Frühstück

 

 

Direkt am Flughafen beginnt unser Trekking, schon der Weg nach Ilulissat erfüllt die Erwartungen an Grönland: Sonne, blaues Wasser und Eisberge. Selbst die großen Benzintanks an der Hafeneinfahrt wirken winzig vor den Eisbergen. Im Ort selbst interessiert uns vorerst nur der Supermarkt, wir brauchen Koch-Benzin und ein paar Lebensmittel. Eine Woche wollen wir uns auf der Halbinsel Paakitsup Nua einlaufen. Doch an diesem Tag sollten wir nicht weit kommen. An der Mündung des Eisfjords Kangia bleibt uns der Atem stehen. Gigantische Eisberge sitzen hier fest, dahinter staut sich ein 45km langer Strom mit weiteren Eisbergen und deren Trümmern. In der Ferne kann man das Inlandeis schimmern sehen. Dort schiebt der Gletscher mit bis zu 35m am Tag sein Eis in den Fjord – die größte Brutstätte für Eisberge in der nördlichen Hemisphäre.

Der markierte Steig ist bald zu Ende und wir errichten unser Zelt auf einem Grasfleck über dem Eisfjord. Morgens begrüßt uns ein blasender Buckelwal, wir schauen direkt in sein Atemloch. Ein paar Mal noch taucht er auf, dann verschwindet er irgendwo unter dem Eis. Unser Weiterkommen ist weniger elegant. Der unebene, steinige Boden ist mit dichter Vegetation überzogen. Immer wieder stehen wir unvermittelt vor Felsabbrüchen. Wir müssen dann ausweichen, steigen wieder ab zum Fjord, und da die Küstenlinie nicht gangbar ist, wieder hinauf. Manchmal geht es flott über schöne Granitplatten, dann will ein See umgangen werden oder der nächste Felsabbruch erzwingt eine erneute Richtungsänderung. 

 

Es ist sonnig und windstill, und so müssen wir auch den Umgang mit den Mücken lernen. Mal reicht biologischer Duft, dann braucht es doch Kopfnetze oder die chemische Keule. Nach zwei harten Tagen erreichen wir den Seitenfjord Sikuiuitsoq. Zum Greifen nahe erscheint die Abbruchkante des Inlandeises, doch auch die Eisberge hier stammen vom großen Eisstrom des Kangia. Sie treiben mal hierhin und mal dorthin, warum verstehen wir nicht. 

Manche sind auf einmal verschwunden, aber morgens parkt dann doch wieder ein alter Bekannter vor dem Zelt. Das steht für zwei Tage auf Granitplatten direkt über dem Wasser, am Ufer selbst sollte man sich nicht aufhalten: Wenn die Eisberge bersten oder sich drehen, drohen Flutwellen. Ohne Gepäck wandern wir zur Bucht Nalluarsuk. Im grünen Wasser sind türkise Eisberge gestrandet und schmelzen vor sich hin. Das einzige Geräusch ist das stetige Tropfen des Schmelzwassers. Die bizarren Kolosse strahlen noch im Sterben Kälte ab und vertreiben so die Mücken.

 

Den Rückweg finden wir besser, wir halten uns auf dem Höhenzug und können die ganze Halbinsel an einem Tag durchqueren. Über steilen Gletscherschliff geht es neben einem Wasserfall hinab, wir durchqueren eine Sanderebene und hüpfen eine lange Strecke auf Steinplatten, unter uns der Fluss. Spät abends klettern wir durch den tief eingeschnittenen Canon Uujuup Kuua, meist mühsam über grobes, scharfkantiges Geröll direkt am Bachgrund. Hin und wieder umgeht ein ausgesetzter Steig ungangbare Stellen. Zum Sonnenuntergang kurz vor Mitternacht erreichen wir endlich die Bredebugt am offenen Meer. Hier sind wir wieder in der Zivilisation, es gibt Boote und Hütten und einen richtigen Weg. Dessen orange Markierung wird gerade von einer Jugendgruppe mit viel Farbe und Begeisterung aufgefrischt. Wir laufen nach Oqaatsut (Rodebay). Die Walfangstation der Holländer ist längst aufgelassen, doch die 50 Einwohner leben immer noch vom Fischfang, ein bisschen Tourismus ist hinzugekommen. Gerade ist ein Versorgungsschiff eingetroffen. Ein Bote verteilt mit dem Quad Post und bestellte Waren. Nur die neue Couchgarnitur für das Gemeindezentrum muss getragen werden. Es gibt ein Restaurant, und dänische Rentnerpaare verbringen hier im stabilen Hochdruckwetter geruhsame und sonnige Sommerferien. Wir aber marschieren zurück nach Ilulissat, denn schon morgen geht unser Boot zur Insel Disko. 




2. Disko

Wo Grönland auch im Norden grün ist

 

 

Ausnahmsweise sind dunkle Wolken aufgezogen, doch die ersten Sonnenstrahlen finden schon wieder einen Weg hindurch. Einzelne Eisberge bekommen so eine gespenstische Beleuchtung. Mit voller Kraft pflügt das kleine Linienboot durch das düstere Meer auf die Gletscherzungen Diskos zu. 

Steile Basaltberge und Plateaugletscher prägen diese Vulkaninsel. Nur im Süden ist sie besiedelt. Über dem roten Schotter hat sich dort eine einzigartige Vegetation gebildet. Fast hüfthoch wachsen Sträucher, Doldenstauden und Schachtelhalm. Dazwischen immer wieder große violette Blütenpolster, das arktische Weidenröschen.

 

Wir queren die steilen Küstenhänge gen Westen, ertasten im dichten Grün Bäche, bemooste Steine und andere Hindernisse. Es ist traumhaft schön hier, unter uns treiben Eisberge, oben im Nebel tauchen immer neue Basaltformationen auf. Wir müssen hinunter auf einen Kiesstrand, einen eisigen Gletscherbach durchwaten und wieder aufsteigen. Nur vorwärts kommen wir nicht. Nach sieben Stunden Plackerei verrät uns das GPS, daß ganze sieben Kilometer vom Hafen Qeqertarsuaqs geschafft sind. Nun stehen wir vor metertiefen Felsspalten, grün überwuchert. Ein Areal wie im Gletscherbruch - also irgendwie wieder hinunter, bis uns die Küstenfelsen erneut zum Aufstieg zwingen.

 

Am zweiten Tag ist alles tropfnass - dichter Nebel und Nieselregen, aber es sollte der einzige richtige Schlechtwettertag in einem Monat bleiben. Noch einmal wühlen wir uns durch die Vegetation hinauf, um auf glattem Gestein wieder hinunter zum Meer zu rutschen. Aber jetzt haben wir das Gröbste hinter uns, zügig geht es über Tundraboden entlang der Laksbugt. Einen Gletscherfluss müssen wir furten, dann ist der Weg frei durch das breite Tal Itilleq Killeq nach Norden. Noch viele Kilometer legen wir über weiche, unregelmäßige Graspolster zurück. Abends trocknen die ersten Sonnenstrahlen unser Zelt. 

 

Wir verlassen das endlose Tal und steigen hoch in die Berge. Hier genießen wir prachtvolle Aussicht und rhythmisches Gehen auf festem Boden. Es macht Spaß, Gelände und Karte zu lesen und immer neu über die Route 

zu entscheiden. Wir finden einen Pass und steigen durch das Blaesdal ab zum Fjord Kangikerlak. Am schwarzen Sandstrand stehen ein von UV-Strahlen zernagtes Zelt mit Heizofen, ein Trockengestell und ein großer Räucherofen. Dieses verlassene Jagdcamp der Innuit verbreitet eine eigenartige Stimmung, die Einsamkeit und Abgeschiedenheit wird so besonders deutlich. Es sollte eine der ganz wenigen menschlichen Spuren auf unseren Wanderungen bleiben. Nur ab und an verraten blaue Plastikschnüre winterliche Schlittentracks. Und in vier Trekkingwochen haben wir nicht eine Menschenseele gesehen oder getroffen. 

 

Zwei Tage später stehen wir auf einem namenlosen Gipfel über dem riesigen Gletscherplateau Sermersuaq und haben freie Sicht auf die Diskobucht, in der die Eisberge unentwegt spazieren fahren. Früh morgens sind wir über steilen Basaltschotter und Schneefelder auf die flache Gipfelkuppe gestiegen. Das Zelt haben wir im Brededal auf einer Sandbank am Fluss zurückgelassen. Der mäandriert idyllisch zwischen Tundraboden, Sanderflächen und großen violetten Polstern des Weidenröschens, bevor er über Basaltsäulen ins Meer stürzt.

 

Noch einmal suchen wir uns eine Trekkingroute über die Berge. Vom Pass Tunusua steigen wir über Firnhänge und aperen Gletscher zum Nordgipfel (932m) des Innarsuaq. Zum wenig niedrigeren Südgipfel sind es nur ein paar hundert Meter, aber hier überrascht uns ein schmaler, ausgesetzter Grat aus losem vulkanischem Gestein. Ganz vorsichtig balancieren wir mit den schweren Trekkingrucksäcken und reden uns und dem Basalt gut zu. Doch wir erreichen das Plateau des Skarvefjelds, unvermittelt bricht es 900m zum Meer ab. Zwischen Eisbergen und Schäreninseln zeigen sich die Häuser von Qeqertarsuaq. Dort werden wir morgen zuerst den Kiosk stürmen und uns dann Beachvolleyball und Fußballtraining am Eismeerstrand anschauen. Aber erst einmal errichten wir hier oben unser Zelt auf einer Eisplatte zwischen den Steinen. Es wird eine windstille Mittsommernacht. Sogar Besuch bekommen wir: so auffallend es nur geht hoppelt ein Schneehase im weißen Winterfell durch den rötlichen Schotter. 




- Zwischenstopp in Ilulissat -

 

 

 

Der Fischreichtum des Jakobshavn-Isfjord hat schon vor 4000 Jahren die ersten Innuit in der Bucht Sermermiut sesshaft werden lassen, ab dem 18. Jahrhundert sorgten holländische Walfänger und dänische Kaufleute für städtische Besiedlung. „Ilulissat“ heißt Eisberge und ist heute mit 4500 Einwohnern (und immer noch einigen tausend Schlittenhunden) Grönlands drittgrößte Stadt. Die Eisberge finden ihren Weg auch in den geschützten Hafen. Dort sitzen die Fischer in kleinen Booten und bestücken die Langleinen mit Ködern für den Heilbuttfang. Traditionelle Jagd und Fischfang ist nach wie vor die wichtigste Existenzgrundlage, auch wenn inzwischen eine Gegenwelt aus Supermärkten und bunten Plattenbauten, Sozialstaat und Entfremdung entstanden ist. 

 

In allen Geschäften laufen die Radios, die Verkäufer entschuldigen sich, daß sie so abgelenkt sind. Grönland spielt gerade bei der Handball U-21 WM in Ägypten. Es hat eine schwere Gruppe erwischt, aber heute wird das Spiel gegen Libyen gewonnen.

 

Das Straßennetz endet nach wenigen Kilometern am Flughafen, trotzdem gibt es reichlich Autos. An der Hauptkreuzung im einzigen Straßencafe sitzen Traveller mit Nordwandgesichtern. Misstrauisch beäugen sie die Kreuzfahrt-Touristen, die in Hundertschaften über den Bohlenweg zum UNESCO geschützten Eisfjord pilgern.

Auch uns zieht es immer wieder dorthin. Ab und an kracht es spektakulär, aber im Prinzip hängen die Kolosse am Riff 300 Meter unter dem Meeresspiegel fest und warten darauf, daß sie genug abgeschmolzen sind, um ihre Reise über das Eismeer antreten zu können. Sie vermitteln eine meditative Ruhe, die nach zwei Wochen durchgehendem Trekking bestens mit unserem Erholungsbedürfnis harmonisiert. Drei Tage lang genießen wir den spartanischen Komfort der Campingplatzcontainer, füllen Mägen und Vorräte und schauen aufs Meer. 




3. Nussuaq

Die einsame Durchquerung

 

  

Mit sichtlicher Freude steuert Ole seine kleine Nussschale im Slalom um die Trümmer der Eisberge des Uummannaq-Fjords. Diese Nacht hat es oft gekracht, viele Bruchstücke bedecken das Wasser. „Klonk, klonk“ macht es am Polyester und Ole entschuldigt sich, wenn er doch das Gas wegnimmt. 

 

Noch lange sehen wir den 1170m hohen Granitfelsen in Form eines Robbenherzens – er hat Uummannaq den Namen gegeben. Viel Platz ist nicht auf der Felsinsel, nicht für eine Flugpiste. So endet der Linienflug, mit dem wir gestern gekommen sind, auf dem Festland, und ein Helikopter übernimmt den Transfer über den Fjord. In der größten Siedlung Nordwestgrönlands gibt es ein Schulzentrum mit Internat, ein Krankenhaus, ein Hotel und eine steinerne Kirche. Bunte Häuser drängen sich auf Stelzen auf dem rundgeschliffenen Granit. Fast 1400 Menschen führen hier ein ganz normales grönländisches Leben zwischen Tradition und Moderne. Und allenfalls die spielenden Kinder nehmen Notiz von den wenigen Touristen.

 

Mittags setzt uns Ole dann in einer kleinen Bucht auf der Halbinsel Nussuaq ab. Ein kurzes Winken, dann sind wir wirklich allein. Fast zwei Wochen haben wir nun, um das 120-Einwohnerdorf Saqqaq zu erreichen. Von dort fährt einmal wöchentlich ein Linienboot nach Ilulissat. Dazwischen liegen vergletscherte Berge bis 2000m, langgezogene Seen und karge Täler. Grob geschätzte weglose 120km werden es sein, ein Zurück oder einen Ausweg gibt es nicht.

Anfangs am Fluss finden wir noch einen Steig von Rentierjägern, dann geht es frei über weite Tundraflächen. Wir kommen unerwartet gut voran, nur auf der Karte sieht man das nicht, denn die gibt es nur im Maßstab 1:250.000. Die steile Nordflanke des über 1000m hohen Majoriarssuatsiaup hat es uns angetan. Den zweiten Tag beginnen wir deshalb mit einem Gipfelabstecher. Trotz schwieriger Wegführung zwischen sterbendem Hängegletscher und steilen Felsplatten stehen wir um 9 Uhr auf dem Gipfel. Wir haben grandiose Aussicht auf das Inlandeis und über die Berg- und Seensysteme Nussuaqs.

Die folgenden Tage balancieren wir im Wesentlichen über Steine - mal rundgeschliffen, mal scharfkantig, manchmal mit grandiosen Farben und manchmal nur trostloser Moränenschotter. Die Landschaft ist großartig, über uns hängen die Zungen der Plateaugletscher, immer wieder ergeben sich Tiefblicke auf grüne und türkise Seen. Und natürlich leuchten auch aus der Ferne die Eisberge in den Fjorden. 

 

Schon von weitem gefällt uns der pyramidenförmige Nagssuitsoq (1300m). Er verspricht Blick von oben auf die Gletscherwelt Nussuaqs. An seinem Fuß erleben wir erst einmal eine Überraschung: ein wilder Gletscherabbruch gibt einen 2,5km langen See frei, er ist noch nicht kartographiert. Oben haben wir die erwartete Aussicht und entdecken, daß der apere Gletscher hinüber zum höheren Qarusuit keine Spalten aufweist. Und so trotten wir fast 5km über das Plateau, einigermaßen mühsam, denn eine dünne Harschschicht, durch die wir immer wieder einbrechen, überzieht das Eis. Die Steine am Gipfel hat der Gletscher erst vor kurzem frei gegeben, sie sind blitzsauber und ohne eine Flechte. Bevor wir uns auf den langen Rückmarsch machen, bauen wir den ersten Steinmann. Abendsonne und - endlich! - fotogene Wolken zaubern eine fantastische Stimmung, die uns immer wieder inne halten lässt. Im letzten Licht - inzwischen wird es schon richtig dunkel - stolpern wir die steilen Steinflanken hinab zum Gletschersee und fallen nach einem 16-Stundentag todmüde ins Zelt. 

Zwei Tage später erreichen wir das Ufer des Saqqap Taserssua. Die Gletschersedimente geben diesem See eine intensive türkise Farbe. Mit 40km Länge teilt er Nussuaq in zwei Hälften. Wir finden eine schöne Bucht zum Zelten, die unberührte Sandbank wagen wir erst zu betreten, nachdem am nächsten Morgen flüchtende Renntiere darüber galoppiert sind.

Doch inzwischen scheint der kurze arktische Sommer zu Ende zu sein - schwere Wolken sind aufgezogen, in den Bergen fällt Schnee, ab jetzt haben wir Nachtfröste. Die Tundra hat sich rot und gelb verfärbt, aber im fahlen Licht kontrastieren die Herbstfarben wunderschön mit dem Türkis des Sees. An seinem Ufer tippeln wir bis an den Ausfluss im Westen, während sich die wenigen Gänse zum Aufbruch sammeln.

 

Nach drei Tagen findet uns die Sonne wieder. Wir sind im hintersten Winkel des Talkessel Eqip Ata schon hoch über dem Gletscher. Unter uns durchziehen große Eisströme rötliche Bergmassive, der Neuschnee lässt die Strukturen klar hervortreten. Ein besonderer Blickfang ist Gieseckes Monument, eine einsame Nadel über den Basaltbändern. Darunter, wo die Gletscher enden, erweckt die Landschaft den Eindruck eines frischen Vulkanausbruchs. Gestern waren wir schon hier und haben einen Durchschlupf auf das Gletscherplateau des Ege gesucht. Wir sind Rentierspuren gefolgt und haben dann versucht, auf Sandbändern ansteigend zu queren bis uns das Absturzrisiko zu groß wurde. Schließlich haben wir doch eine Aufstiegsmöglichkeit über die 400m hohe Stirnmoräne einer Gletscherzunge entdeckt. Tiefhängende schwarze Wolken und fortgeschrittene Zeit ließen uns umkehren.

 

Jetzt wühlen wir uns also zum zweiten Mal den steilen Schotterhang hinauf und klettern zwischen Basaltsäulen an den Rand des Gletschers. Der ist mit 30cm Neuschnee bedeckt, trotzdem traue ich mir zu, Fließrichtung und damit Spalten lesen zu können und halte das Risiko einer seilfreien Begehung für vertretbar. Alle Gletscher Nussuaqs scheinen sich zu einem riesigen Plateau vereinigt zu haben, aber mit jedem Schritt aufwärts lösen sie sich voneinander und wir überblicken immer mehr von der Berg- und Gletscherwelt des nördlichen Teils der Halbinsel. Schließlich taucht zwischen den wilden Eisabbrüchen das türkise Wasser des Sarqap Taserssua auf - wir stehen auf dem höchsten Punkt, 1724m. Die Berge Diskos liegen zum Greifen nahe, wir können den 100km entfernten Eisfjord bei Ilulissat ausmachen. Und im Gegenlicht, wo die Eisberge besonders leuchten, müsste Saqqaq liegen.

 

Das kleine Dörfchen hat einer ganzen Kulturepoche seinen Namen gegeben, die erste Einwanderungsbewegung der Innuit nach Grönland wurde nach ihm benannt. Aber wir denken jetzt eher an das moderne Warenangebot des kleinen Supermarktes. Ausgezehrt trotten wir durch eine große Sanderebene und kämpfen uns dann durch feuchtes, unebenes Gelände einen letzten Gegenanstieg hinauf. Noch einmal wird das Zelt aufgebaut, unsere zwölfte Nacht auf Nussuaq. Abends erklimmen wir einen kleinen Berg aus buntem Vulkangestein. Das ganze Saqqaqdal liegt zu unseren Füßen: der Fluss mäandriert durch die herbstlich verfärbte Tundra bis er schließlich in einem großen Kiesdelta seinen Weg ins Eismeer findet. Nicht ohne Stolz schauen wir zurück auf die Gletscher Nussuaqs und unseren letzten Gipfel.

 

Für die letzte Wegstrecke nach Saqqaq teilen wir unsere verbliebenen zwei Müsliriegel sorgsam ein. Dort finden wir dann Grönlandidylle pur – bunte Häuser, freundliche Menschen, Schlittenhunde und Eisberge. Schöner kann eine Reise nicht ausklingen: Futternd sitzen wir am Strand und schauen den Buckelwalen zu, die zwischen den Eisbergen unentwegt nach Krill suchen. 



Trekking in (Nord-West-) Grönland - Kurzinfos: (Stand 2009)

Transport:
Flug: Linienflüge ab Kopenhagen, Inlandflüge: Air Greenland
Schiff: Diskobucht: Disko Line
Flüge und Linienboote frühzeitig buchen!
Um den Startpunkt Kugssup Nua für die Nussuaq-Durchquerung zu erreichen, fragt man im Hafen von Uummannaq nach einem privaten Boot.

Charakter: Weglose Trekkings in großer Einsamkeit. Auf den normalen Routen ohne alpin-technische Einlagen. Die Gebiete um den Eisfjord und auf Disko sind logistisch einfach, man entfernt sich nicht weiter als 2-3 Tage von der Zivilisation. Die Nussuaq-Durchquerung ist anspruchsvoller, eine Umkehr ist nicht möglich.
Empfohlene Zeit: Juli-August
Klima: Vorherrschend sind stabile Hochdrucklagen mit trockenem Wetter! Aber natürlich sind Schlechtwettereinbrüche nicht ausgeschlossen, gefürchtet sind starke Fallwinde vom Inlandeis. Durchschnittstemperatur in den Sommermonaten um 10°C. Mitternachtssonne ungefähr bis 20. Juli. Mücken bei Erwärmung und Windstille, in der Höhe und im August weniger werdend.

Karten:
Eisfjord: Greenland Tourism 1:100.000 „Ilulissat“ Blatt 12
Disko: Greenland Tourism 1.100.000 „Qeqertarsuaq“ Blatt 15
Nussuaq: Saga Maps 1:250.000 „Nuussuaq-Uummannaq“ Blatt 12
(für das letzte Wegstück nach Saqqaq zusätzlich Blatt 11 „Disko“ oder 10 „Ilulissat“)

Kartenskizze für Nussuaq auf Anfrage

Download
Routenbeschreibung Nussuaq
Trekking und Bergsteigen auf Nussuaq.pdf
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© Text und Fotos: Tilmann Graner